Mit einem Trick bringt Mordan, der erste Heerführer der kriegerischen Kjer, die junge Heilerin Lijanas vom Volk der Nivard in seine Gewalt. Im Auftrag seines Königs Haffren will er die Heilerin und ein zauberkräftiges Elixier, die »Tränen der weißen Schlange«, an den Hof bringen.
Lijanas aber hat nur einen Gedanken: Flucht! Doch je näher sie den als »Blutwolf« verschrienen Mordan kennenlernt, desto stärker fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Und er sich ebenso zu ihr. Er setzt alles dran, sie sicher an den Hof seines Königs zu bringen. Dort erwartet sie jedoch eine tödliche Überraschung …
Himmel aber auch, das war eine unerträgliche Tortur! Ich liebe es, Bücher mehrmals zu lesen, aber das war wirklich das allererste Mal, dass ich an manchen Stellen einfach nicht weiterlesen wollte, das Buch sogar für ein paar Tage zur Seite legen musste, weil ich einfach nicht ertragen konnte, was als nächstes passieren würde. Und warum das Ganze? Tja, weil ich bis über beide Ohren in einen fiktiven Charakter verliebt bin, dem ich so einiges gerne erspart hätte. Klingt verrückt? Tja, ist aber so. Denn wenn man mich fragt, warum der Roman zu meinen Lieblingsbüchern gehört, kann ich das ganz einfach in einem einzigen Wort beantworten: Mordan!
Wer meinen Blog schon ein bisschen länger verfolgt, hat sicherlich mittlerweile mitbekommen, auf was für einen Typ Charakter ich total abfahre: dark, brooding, mysterious, more or less evil, and – ein von Mordan inspirierter Nachtrag – hot as hell! Und ja, Mordan war nicht ganz unbeteiligt an der ursprünglichen Charakterisierung, denn er verkörpert mein Beuteschema bis ins kleinste Detail. Hach, mein wunderschöner Kjer mit dem sturmgrauen Auge, der Augenklappe, den langen schwarzen Haaren, dem durchtrainierten Körper und dem von Narben durchzogenen kurzen Fell. Als erster Heerführer seines Volkes, das sich mal abgesehen von ein paar kleineren Details nicht nennenswert von den Menschen unterscheidet, ist er eine absolute und fast unbesiegbare skrupellose Kampfmaschine – und die Lässigkeit, mit der er seine Gegner plattmacht ist einfach nur so unglaublich heiß! Jeden Befehl befolgt er bis ins kleinste Detail, egal, wie grausam er auch sein mag, weshalb er beim Volk der Nivard als Blutwolf und Bestie verschrien ist. Zugegebenermaßen kann man ihn kaum als Schmusekätzchen bezeichnen: seine Stimmung ist grundsätzlich bestenfalls als düster zu beschreiben und man sollte besser tun, was immer er sagt, denn ansonsten kann das schon mal üble Folgen haben, da Geduld nicht gerade seine Stärke ist und er Ungehorsam mit Gewalt quittiert. Klingt eher nach einem Typen, um den man einen großen Bogen machen sollte, nicht wahr? Nun, man soll sich bekanntlich nicht von Vorurteilen leiten lassen, sondern auch unter die Oberfläche schauen – und da ist bei Mordan so einiges verborgen …
Als er den Auftrag bekommt, die talentierte Heilerin Lijanas zu entführen und an den Hof seines Königs zu bringen, erwartet er, dies in kürzester Zeit zu erledigen. Schließlich sollte das für einen wie ihn ein Klacks sein – doch es kommt alles ganz anders als geplant, denn er hat einen entscheidenden Faktor nicht berücksichtigt: Lijanas hat absolut kein Interesse daran, entführt zu werden. Ich weiß zwar immer noch nicht, wie ich ihren Namen eigentlich aussprechen soll, aber sie ist einfach eine großartige Protagonistin, die ich von Anfang an in mein Herz geschlossen habe (mal abgesehen von einer kleinen Macke, für die ich sie regelmäßig gerne umbringen würde). Statt klein beizugeben und das hilflose Mädchen zu mimen, das sich von den Kjer einschüchtern lässt, kämpft Lijanas mit allen Mitteln gegen ihre Entführer. Sie hat eine wahnsinnig große Klappe, ist eine richtige Kratzbürste und gibt Kontra wo sie geht und steht – aber die Quasiverlobte des Prinzen Ahmeer kann sich ja wohl nicht von einer Schar dahergelaufener Kjer unterbuttern lassen! Allerdings muss sie sich nicht nur mit den Kjer herumschlagen, sondern wird überdies auch noch von seltsamen Visionen geplagt und von gefährlichen Kreaturen verfolgt.
Dass Mordan und Lijanas geradezu im Minutentakt aneinandergeraten und letztere oft auf schmerzhafte Weise zu spüren bekommt, was er davon hält, ist natürlich absehbar. Doch wenn man auf einer Reise durch ein Land ist, in dem an allen Ecken und Enden neue Gefahren lauern, man von den besten Männern des Fürsten und von Bestien, die man doch eigentlich nur aus Mythen kennt, verfolgt wird, und man sich mit einigen unerwarteten Umständen herumschlagen muss, kann man nicht umhin, sich gegenseitig besser kennenzulernen. Und je mehr sie hinter die Fassade des anderen blicken, desto mehr gerät ihr jeweiliges Weltbild ins Wanken, desto mehr stellen sie alles in Frage, was doch bisher so selbstverständlich erschien: Loyalitäten, Befehle, Wahrheit und Legende – und natürlich die eigenen Gefühle. Und doch handelt es sich hier nicht um eine klassische Geschichte à la Bad-Boy trifft auf Good-Girl und wird von ihr umgekrempelt. Dazu sind beide Charaktere einfach viel zu vielschichtig – und eigensinnig. Denn auch wenn sich die beiden erwartungsgemäß näherkommen, heißt das nicht, dass jetzt plötzlich alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, oder dass sie sich nun seltener gegenseitig auf die Palme bringen, denn das können sie leider nur zu gut! Immer wenn man meint, dass die beiden endlich ihren Frieden miteinander geschlossen hätten, ist es doch nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm, der in absehbarer Zeit heraufziehen wird. Und leider Gottes bekommt Mordan immer dessen geballte Wucht ab, was besonders zum Ende hin ziemlich bittere Tränen meinerseits nach sich zog. Aber egal. Ich liebe die beiden einfach viel zu sehr, wie man an den untenstehenden Bildern unschwer erkennen kann.
Natürlich gibt es daneben auch noch eine ganze Schar mehr oder weniger wichtiger Charaktere, davon einige ganz wundervolle und liebenswerte, die sich meinen Respekt verdient haben, und einige, denen ich wirklich wirklich gerne einfach nur den Hals umgedreht hätte. Vom Typ her ist wirklich alles vertreten: es gibt den Wolf im Wolfspelz, den Wolf im Schafspelz, und das Schaf im Wolfspelz (auch wenn sie mir für die Bezeichnung sicher den Hals umdrehen würde).
Langweilig wird es jedenfalls nie, denn unter der Oberfläche der meisten Dinge brodelt es gewaltig und vieles ist nicht so, wie es scheint. Es gilt Geheimnisse aufzudecken, Legenden zu entschlüsseln und die Vergangenheit zu verarbeiten. Und sind wir doch mal ehrlich, eigentlich hätte Lynn Raven mit den ganzen Ideen gut und gerne mindestens zwei Bücher füllen können! Leider schien es mir aber gerade zum Ende hin, als hätte sie das Buch unbedingt in einem gewissen Seitenumfang beenden müssen, denn da ist plötzlich in kürzester Zeit so unglaublich viel passiert, was ich liebend gerne viel ausführlicher gehabt hätte, zumal das wirklich richtig guter Stoff war! Desweiteren hätte ich persönlich eine ganz kurze Szene zu Beginn des Cavallin-Teils herausgenommen, da es mich unglaublich frustriert, wenn ich als Leser weiß, was passiert ist, die Charaktere aber Ewigkeiten brauchen, um dahinter zu kommen. Außerdem habe ich nicht wirklich lange gebraucht, um zu entschlüsseln, worauf ein Handlungsstrang eigentlich hinaus will. Aber vielleicht geht das auch nur mir so, ich bin was das Plotentschlüsseln angeht ein ziemlicher Fuchs. Und dann hätte ich da noch ein etwas größeres Problem, dass ich aber nur in Spoilertags ansprechen werde, weil das irgendwie schwer zu umschreiben ist: Eigentlich ist es wirklich unmöglich, dass beide total zugedröhnt waren, als sie miteinander geschlafen haben und demnach nicht ihre Zustimmung geben konnten – was das Ganze einer Vergewaltigung gleichsetzt. Gut, es ist Fantasy, es war wichtig für die Handlung und hätte schwerlich anders gelöst werden können. Und doch wünschte ich, es wäre anders verlaufen. Die Charaktere hätten etwas besseres verdient.
Der Kuss des Kjer ist definitiv nicht makellos und doch ist die Geschichte von Mordan und Lijanas einfach so wunderschön – und herzzerreißend – dass sich der Roman seinen Platz unter meinen Lieblingsbüchern redlich verdient hat. Allerdings werde ich ihn wohl nicht in absehbarer Zeit nochmal lesen. Ich glaube, das verkrafte ich einfach nicht. Meine armen Nerven aber auch!